Freitag, 18. Juli 2014

La Vie d'Adèle (Frankreich 2013)



Regie: Abdellatif Kechiche


Mit: Adèle Exarchopoulos, Léa Seydoux 


Viel Zeit, lange Blicke für ›Was ist da los?‹ und jede Menge Sinnlichkeit


(fliegende Gedanken anstelle einer Rezension)



… ihr Gesicht in allen Lebenslagen, das ist mir von diesem Film geblieben. Manchmal ist die doppelte Adèle wirklich bezaubernd schön, in jedem Licht sieht sie wieder anders aus, so viele Gesichter, die doch zu einer Figur gehören, habe ich schon lange in keinem Film mehr gesehen. Und das Besondere und Sympathische: fast genauso oft, wie sie in Schönheit inszeniert ist und bella figura macht, blickt sie ausdruckslos aus der Wäsche. Mund zu, es zieht. Doch sie steht und guckt oder sitzt und guckt oder liegt und guckt. 
Immer wieder bietet ihr das Leben die Gelegenheit, hinzusehen, in die Welt zu sehen und sich zu wundern: was ist da los? und jetzt? Oder zu warten, was nun als nächstes passiert, was das Gegenüber sagen wird.

***

Das Charmante an diesem Film ist unter anderem etwas, was mir schon wenige Tage zuvor bei der Transgenderstory namens ›Lawrence Anyways gefiel: Das Drehbuch nimmt sich Zeit, es hetzt nicht von Plotpoint zu Plotpoint, sondern es hat Geduld. Um sich ein Bild zu machen von diesem Mädchen, das mal Kind ist, pausbäckig wie frisch aus der Strandurlaubwerbung, und mal Frau, ihrer Wirkung bewusst, kokett, auch mal verkrampft damenhaft. In manchen Einstellungen sieht sie richtiggehend alt aus, weil das Leben, ach das Leben, es setzt natürlich auch einer 17-, 18- oder 20-jährigen zu. Wie auch nicht.
Vor allem wenn es darum geht, ob es jetzt Frauen oder Männer sein sollen, mit denen man knutschen küssen schlafen will. Himmel hilf. Kann ihr jemand mal sagen, was hier los ist? Und dauernd macht man etwas falsch. Den einen schleppt man ab und wird ihn nicht mehr los, die andere wirft sich einem an den Hals und dann war es nur zum Spaß. Kann ihr jemand VERDAMMT nochmal sagen, was hier los ist?
Gottseidank gibt es noch so bleibende Dinge, auf die Verlass ist, zum Beispiel eine Schüssel rote Spaghetti. Die klappen immer. Und wie man das sieht, wie die schmecken. das schlabbert und schlupp beim Zusehen, dass die Soße spritzt. Reinhaun, aber Vollgas. Selten wurde lustvoller gegessen, zumalvon einer wohlerzogenen jungen Frau, nicht von betrunkenen Vätern oder Gourmet-Köchen wie der aus ›Bella Martha – bis anhin meine Lieblingsszene, was den exaltierten Genuss von Pasta betrifft (eigtl. nur die fünf Sekunden von 1:05-1:10). Nicht weniger sinnlich und episch sind die vielen Sexszenen, die bei aller Freizügigkeit nicht pornographisch sind, sondern einem ein glaubwürdiges Bild von der Leidenschaftlichkeit lesbischer sexueller Liebe vermitteln, die man so noch in keinem Kinofilm gesehen hat. 

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So lässt einem dieser Film Zeit, viel Zeit, um eine Beziehung zur Figur der Adèle zu entwickeln. Und wir sehen hin und bleiben konstant neugierig, wie es ihr ergeht, ergehen wird. 

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