Sonntag, 14. Dezember 2014

›Prag‹ (Dänemark 2006) und ein bisschen ›Game of Thrones‹



Regie: Ole Christian Madsen

Mit Mads Mikkelsen, Stine Stengade, Jana Plodková

Trailer

Reise in die Wahrheit


In den letzten 5 (!) Monaten habe ich mich erfolgreich durch die erste Staffel von ›Game of Thrones‹ gekämpft. Das war harte Arbeit. Es fängt bei der Geographie an: Gut, Norden und Süden kapier ich, geschenkt, auch dass da irgendeine Mauer ist, die bewacht wird (warum nochmal?). Aber die ganzen Winterfells, Dragonstones und King's Landings bringen mich immer wieder aus dem Konzept – wo ist das? wer lebt da? ist das wichtig? Und alle jonglieren sie mit diesen Namen, als müssten sie einem so geläufig sein wie New York, Rom oder die Alpen. 
Auch anstrengend: die ganzen Familien und Sippen und ihre Verschränkungen. Ich kriege gerade mal die Lannisters und die Starks zusammen, und irgendwo in einer Wüstenei (wo eigentlich?) ist da noch die dralle Blonde mit den Kulleraugen, die mit dem tumben Koloss mit dem neckischen Ziegenbart zum Mann. Der stirbt dann irgendwie und soll verbrannt werden. Und sie? Sie steigt dann krass in ein Feuer und steht danach zwar ohne Kleider da, ist selbst aber unversehrt, und  – tadaa! – dann hat sie auch noch zwei süße kleine Drachen geboren. Wahnsinn. 
Am meisten aber strengt mich das Missverhältnis zwischen Humor und Pathos an. Wenn da der Zwerg nicht wäre, da der Dings, dann müsste man denken, in diesem fiktiven Mittelalter gab es zwar viel zu trinken, aber kaum was zu lachen, und man muss ständig texten wie im Alten Testament. 

Aber hey, toll gemacht altogether, das ganze Feuer und der viele Schnee, der uns hierzulande ja gerade fehlt (die Amerikaner! Jetstream!). Außerdem habe ich einige Freunde und Bekannte, deren Meinung ich achte und die von der Serie schwärmen. Also gönne ich mir ab und zu eine Auszeit, lass mich in ein fiktives Mittelalter versetzen, in dem man kaum mal lacht und höre mir hölzerne Dialoge an, dass es knarrt und ächzt. Wenn die Köpfe rollen, seh ich einfach weg. Und bei den mit strategischer Konsequenz eingespielten Nacktszenen frage ich mich, wie Familien aus dem frömmelnden Mittleren Westen damit umgehen, so viel Haut. Oder werden die dort rausgeschnitten?
Mein persönlicher Höhepunkt waren bisher die kleinen Drachen und die schöne Überraschung, dass die von mir verehrte Sibel Kekilli (›Gegen die Wand!‹ ›Die Fremde!‹) mitmacht – wenn auch nur  als eine Hure mit (vorerst) dünnem Verstand. 

***

Aber eigentlich wollte ich ja über ›Prag‹ schreiben, resp. ›Endstation Prag‹, wie er im deutschen Verleih heißt. Über einen Film, den ich mir vor kurzem in einem Zug ansah – während ich bei ›Game of Thrones‹ kaum mehr als eine Folge am Stück schaffe.

Als Werbefilm für die tschechische Hauptstadt oder ihre Bevölkerung kann man diesen Film nicht bezeichnen. Zwar gibt's mal eine hübsche Ansicht der Burg oder des Wenzelplatzes, doch die Cafés atmen den spröden Charme kommunistischer Mängelwirtschaft und die Einheimischen philosophieren entweder ungefragt düster über das Leben oder verweigern sich hartnäckig den gängigen Gesten des Anstands. Lächeln war gestern und Gulasch gibt's nicht, weil schließlich Dienstag ist.
Diese schönen Skurrilitäten stellen den trostlosen Rahmen dar für eine klassische Reise in die Wahrheit. 

Christoffer hat seinen Vater nie gekannt, aber er verachtet ihn aus ganzem Herzen, denn der hat die Familie verlassen, als der Sohn gerade zwei war. Nun ist er tot und soll zurück in die Heimat, so hat es sich Mutter vor ihrem Tod gewünscht. Wenn der Lebendige schon nicht im Ehebett liegen wollte, so soll doch der Tote im Familiengrab zu liegen kommen. 
Für Christoffer ist die Reise eine einzige Qual, was vor allem an seiner Frau liegt, die ihn nach Prag begleitet hat. Maja strahlt vom ersten Moment an eine Lebendigkeit aus, die sich deutlich von dem grauen und etwas mürrischen Christoffer abhebt. Sie leuchtet rot und blau und wirkt sehr verliebt – allerdings nicht in Christoffer, sondern in einen Mann am anderen Ende der Leitung, wenn sie am Telefon ist. 
Das Unverhohlene an ihrem Verhalten macht sie sofort unsympathisch, weil man mit Christoffer mitfühlt. Der erträgt das zunächst so stoisch, wie es nur ein Mads Mikkelsen kann. Keiner spielt so gekonnt den Betroffenen, den Geschmähten, wie er. Ständig wartet man auf den cholerischen Ausbruch, darauf, dass er explodiert, sie schlägt. Doch es kommt anders. 
Die tschechischen Behörden mahlen langsam, einen Toten auszuführen, ist keine leichte Sache, die Leiche muss begutachtet werden, der Anwalt braucht seine Unterschrift und mahnt zur Geduld, das Haus des Verstorbenen muss auch gesichtet werden – und prompt dort wartet eine Überraschung in Gestalt einer jungen Frau.
Weil die Leiche dann erstmal nach Singapur fliegt (Tschechien eben), wird aus dem Kurzaufenthalt einer, in dem Christoffer fernab der eigenen Heimat noch einiges erfährt und durchlebt, was seine Welt ins Wanken bringt.

›Prag‹ ist ein ruhiges Kammerspiel in melancholischer Atmosphäre, glänzend gespielt, mit einem Hauch von verstörender Fremdheit in einer Welt, in der die Zeit still zu stehen scheint. Und sehr spannend. Denn das Abhandenkommen von Liebe ist immer ergreifend und Mads Mikkelsens Spiel ist es auch. Und Tschechien ist wirklich ein seltsames Land.

Aber klar: Die zweite Staffel von Game of Thrones werde ich mir trotzdem ansehen. Nur schon wegen dem dingsda und der Sibel.

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