Regie: Woody Allen
Mit: Woody Allen, Penelope Cruz, Alec Baldwin, Jesse Eisenberg, Roberto Benigni, Ellen Page
☞ Trailer
Ein Tiramisù à la Woody Allen – glotzt romantisch! (…und seid nicht so streng)
u
Beginn eine hübsche kleine Lüge: Der Europarat hat Woody Allen vor Jahren in weiser
Voraussicht viel Geld dafür geboten, dass er sich in seinen kommenden Projekten
von seiner Heimatstadt NYC ab- und dem alten Kontinent zuwendet. Er solle die
alten Hauptstädte in all ihrer Schönheit in Szene setzen und damit ein
Bewusstsein dafür schaffen, was wir zu verlieren haben, wenn wir unser Erbe
nicht pflegen und immer nur nach Westen über den Atlantik und neuerdings Richtung
Osten seufzen, wo angeblich die Party abgeht, kulturell wie ökonomisch. Die
europäische Seele braucht Streicheleinheiten. Ein Übermaß an kalifornischen
Vorstädten in den großen US-Produktionen nagen am europäischen
Selbstwertgefühl, das in dem Maße geschrumpft ist, wie die EU-Mitgliederzahl
gestiegen ist. Und jetzt noch das: Eurokrise – Identitätsspaltung – handlungsunfähiger
Kontinent! Kann uns das Kino nicht über diese hässlichen Realitäten
hinwegtrösten? Bitte? Bittebitte?
Woody
Allen musste nicht lange gebeten werden, sind doch viele seine großen Vorbilder
wie Ingmar Bergman, Fellini etc.. europäischer Herkunft und ihre Filme spielen
allesamt auf hiesigem Boden. Auf geht’s. Nach dem smarten London (Match Point, 2005), dem charismatischen
Barcelona (Vicky Christina Barcelona, 2008)
und dem vibrierenden Paris der Zwanziger Jahre (Midnight in Paris, 2011) ist nun ist in seinem neuesten Film das vor Leben und Liebe strotzende
Rom an der Reihe.
Die
Postkartenidylle, in welchem seine vielfältigen Irrungen und Wirrungen der
Liebe spielen, ist erneut perfekt und soooo kitschig, dass man eigentlich von
einem V-Effekt sprechen darf, jedenfalls aber von romantischer Ironie. Das kann er gar nicht ernst meinen, über
jeder Einstellung darf man sich ein brechtisch-antibrechtisches Transparent
denken, auf dem steht: ›ES IST ALLES NUR EIN SPIEL! GLOTZT ROMANTISCH! UMSO
MEHR.‹ So treibt der klarinettenspielende New Yorker seit Jahren ein Spielchen sowohl
mit den amerikanischen Klischees von Europas visuellen Kronjuwelen als auch mit
unser aller Sehnsucht nach einem Leben in einer intakten Kulisse, in
unterscheidbaren Kulturen, wo Amerika lediglich in Form von hilflosen Touristen
vorkommt und nicht als Fast-Food-Großmacht jede zweite Ecke besetzt hält.
Solch
ein nostalgischer Blick ist wie eine kleine Ferienreise: Einmal Rom und zurück
in 90 Minuten. Auf Reisen ist man gerne bereit, sich der Selbsttäuschung
hinzugeben und alles von seiner guten Seite zu sehen, nur schon um sich nicht
die Laune verderben zu lassen: ›Der Kaffee ist lauwarm? Mag sein. Aber diese
Aussicht!‹ – ›Die Aussicht ist nicht vorhanden? Mag sein, aber dieser Kaffee!‹
So
auch in diesem Film: Wie an einer Perlenschnur reihen sich die heitere Episoden,
harmlose kleine Dramen und einnehmende Stadtansichten aneinander, und auf der
Tonspur wird man eingelullt von einer Schlagermusik der teilweise übelsten
Sorte. Das alles zuckersüß, eine funkelnde Girlande in einem Sommernachtstraum.
Selbst Ehekrise und Liebesverrat wird in solcher Kulisse zur Klamotte, und wir
sind sicher: das wird schon. Ob der junge Architekturstudent Jack (Jesse
Eisenberg aus Social Network) bei
seiner etwas spröden Sally bleibt oder an den scharfen Klippen der
männerfressenden Monica (Ellen Page) zerschellt, egal! Ob der amerikanische
Opernkomponist Jerry (Woody Allen) mit seinem beruflichen Ehrgeiz und
mangelnden Taktgefühl die bevorstehende Heirat seiner Tochter mit ihrem
Bilderbuchrömer vereitelt – was soll’s! Ob Penelope Cruz als Prostituierte Anna
dem jungvermählten Provinzler den Kopf so verdreht, dass er seine
Frischangetraute darüber vergisst oder seine Liebste tatsächlich mit einem
schwerbäuchigen Filmstar ins Bett steigt – ach! In dieser Stadt geht das
hopplahopp und schon stimmt das Leben wieder. Ein Teller Pasta und einen guten
Vino rosso und dann … diese Aussicht, diese Stadt, ist sie nicht herrlich?
In
der ersten Hälfte bezaubert einen der Film mit seiner Leichtigkeit und man muss
oft lachen über die skurrilen Situationen, in den Meister Allen seine Figuren
treibt. Einzige Ausnahme ist die
Geschichte um den Familienvater Leopoldo, der zu plötzlichem TV-Ruhm kommt wie
die Jungfrau zum Kind. Zwar ist Rom ohne Roberto Benigni wohl wie Pizza ohne
Tomaten, dennoch kann einem seine Exaltiertheit auch auf den Geist gehen, seine
Maschen und Marotten sind über die Jahre stets die gleichen geblieben. Man
wünscht ihn sich augenblicklich in einen ernsthaften Film. Woody Allen selbst
hat auch einen erstaunlich schwachen schauspielerischen Moment, wer weiß,
vielleicht ist er aus der Übung nach so vielen Jahren hinter statt vor der
Kamera (zuletzt 2006 in in Scoop). Alec Baldwin gefällt mir sehr gut als charismatischer Schatten und
verzweifelter Coach von Jack. Ob er wirklich physisch vorhanden ist oder nur in
der Vorstellung des Jüngeren, das lässt das Drehbuch offen. Ist auch egal. Hier
geht es darum, wie weit sich der Junge über den Abgrund zu lehnen wagt, in den
er runterspringen will.
An manchen Stellen drückt da echtes Drama durch und es wird beinahe existenziell. Denn man ahnt, dass der Ältere einschlägige Erfahrungen hinter sich hat, die ihn heute noch schmerzen. Und dann ist da Penelope Cruz, ganz in rot. Also halb, bei diesem kurzen Kleid. Was für eine schöne Idee, sie als Nutte die gute Fee spielen zu lassen, die Szenen mit ihr sind allesamt unterhaltend, dank ihrer Spielfreude und Energie, mitnichten nur wegen ihrem Dékolleté, das man ja schon aus Volver oder Abrazos rotos etc. kennt – na gut, wir wollen das nicht gegeneinander ausspielen.
An manchen Stellen drückt da echtes Drama durch und es wird beinahe existenziell. Denn man ahnt, dass der Ältere einschlägige Erfahrungen hinter sich hat, die ihn heute noch schmerzen. Und dann ist da Penelope Cruz, ganz in rot. Also halb, bei diesem kurzen Kleid. Was für eine schöne Idee, sie als Nutte die gute Fee spielen zu lassen, die Szenen mit ihr sind allesamt unterhaltend, dank ihrer Spielfreude und Energie, mitnichten nur wegen ihrem Dékolleté, das man ja schon aus Volver oder Abrazos rotos etc. kennt – na gut, wir wollen das nicht gegeneinander ausspielen.
Wie
so oft macht auch in diesem Film die Exposition und die ansteigende Handlung
mehr Spaß als deren Fortsetzung. Die diversen Ausgangslagen und Verwicklungen
sind wie eine Schachtel Smarties, die man in der Hand hält, man erfreut sich an
den Farben, doch auf die Dauer schmecken alle gleich und man möchte sie
loswerden oder sehnt sich nach sauren Gurken. Das Drehbuch schafft es nicht,
die einmal ausgelegten Handlungsfäden so zu Ende zu verfolgen, dass man noch
mit gleichem Interesse zusieht. Oder diplomatisch gesagt: Andere Filme von
Allen sind über die gesamte Länge kompakter und straffer.
Dennoch
bleibt einem der Film als eine schöne Reise in Erinnerung und ich plane fest,
meine italienischen Beziehungen spielen zu lassen und demnächst nach Rom zu
reisen. Denn dort scheint immer die Sonne, es gibt viele gutangezogene schöne
Menschen, das einfache Volk schmettert Opernarien, allerdings nur unter der
Dusche – und alles wird gut.
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