Mittwoch, 8. August 2012

To Rome With Love (USA, 2012)

Regie: Woody Allen
Mit: Woody Allen, Penelope Cruz, Alec Baldwin, Jesse Eisenberg, Roberto Benigni, Ellen Page

☞ Trailer

Ein Tiramisù à la Woody Allen – glotzt romantisch! (…und seid nicht so streng)

Zu Beginn eine hübsche kleine Lüge: Der Europarat hat Woody Allen vor Jahren in weiser Voraussicht viel Geld dafür geboten, dass er sich in seinen kommenden Projekten von seiner Heimatstadt NYC ab- und dem alten Kontinent zuwendet. Er solle die alten Hauptstädte in all ihrer Schönheit in Szene setzen und damit ein Bewusstsein dafür schaffen, was wir zu verlieren haben, wenn wir unser Erbe nicht pflegen und immer nur nach Westen über den Atlantik und neuerdings Richtung Osten seufzen, wo angeblich die Party abgeht, kulturell wie ökonomisch. Die europäische Seele braucht Streicheleinheiten. Ein Übermaß an kalifornischen Vorstädten in den großen US-Produktionen nagen am europäischen Selbstwertgefühl, das in dem Maße geschrumpft ist, wie die EU-Mitgliederzahl gestiegen ist. Und jetzt noch das: Eurokrise – Identitätsspaltung – handlungsunfähiger Kontinent! Kann uns das Kino nicht über diese hässlichen Realitäten hinwegtrösten? Bitte? Bittebitte?
Woody Allen musste nicht lange gebeten werden, sind doch viele seine großen Vorbilder wie Ingmar Bergman, Fellini etc.. europäischer Herkunft und ihre Filme spielen allesamt auf hiesigem Boden. Auf geht’s. Nach dem smarten London (Match Point, 2005), dem charismatischen Barcelona (Vicky Christina Barcelona, 2008) und dem vibrierenden Paris der Zwanziger Jahre (Midnight in Paris, 2011) ist nun ist in seinem neuesten Film das vor Leben und Liebe strotzende Rom an der Reihe.

Die Postkartenidylle, in welchem seine vielfältigen Irrungen und Wirrungen der Liebe spielen, ist erneut perfekt und soooo kitschig, dass man eigentlich von einem V-Effekt sprechen darf, jedenfalls aber von romantischer Ironie. Das kann er gar nicht ernst meinen, über jeder Einstellung darf man sich ein brechtisch-antibrechtisches Transparent denken, auf dem steht: ›ES IST ALLES NUR EIN SPIEL! GLOTZT ROMANTISCH! UMSO MEHR.‹ So treibt der klarinettenspielende New Yorker seit Jahren ein Spielchen sowohl mit den amerikanischen Klischees von Europas visuellen Kronjuwelen als auch mit unser aller Sehnsucht nach einem Leben in einer intakten Kulisse, in unterscheidbaren Kulturen, wo Amerika lediglich in Form von hilflosen Touristen vorkommt und nicht als Fast-Food-Großmacht jede zweite Ecke besetzt hält.
Solch ein nostalgischer Blick ist wie eine kleine Ferienreise: Einmal Rom und zurück in 90 Minuten. Auf Reisen ist man gerne bereit, sich der Selbsttäuschung hinzugeben und alles von seiner guten Seite zu sehen, nur schon um sich nicht die Laune verderben zu lassen: ›Der Kaffee ist lauwarm? Mag sein. Aber diese Aussicht!‹ – ›Die Aussicht ist nicht vorhanden? Mag sein, aber dieser Kaffee!‹

So auch in diesem Film: Wie an einer Perlenschnur reihen sich die heitere Episoden, harmlose kleine Dramen und einnehmende Stadtansichten aneinander, und auf der Tonspur wird man eingelullt von einer Schlagermusik der teilweise übelsten Sorte. Das alles zuckersüß, eine funkelnde Girlande in einem Sommernachtstraum. Selbst Ehekrise und Liebesverrat wird in solcher Kulisse zur Klamotte, und wir sind sicher: das wird schon. Ob der junge Architekturstudent Jack (Jesse Eisenberg aus Social Network) bei seiner etwas spröden Sally bleibt oder an den scharfen Klippen der männerfressenden Monica (Ellen Page) zerschellt, egal! Ob der amerikanische Opernkomponist Jerry (Woody Allen) mit seinem beruflichen Ehrgeiz und mangelnden Taktgefühl die bevorstehende Heirat seiner Tochter mit ihrem Bilderbuchrömer vereitelt – was soll’s! Ob Penelope Cruz als Prostituierte Anna dem jungvermählten Provinzler den Kopf so verdreht, dass er seine Frischangetraute darüber vergisst oder seine Liebste tatsächlich mit einem schwerbäuchigen Filmstar ins Bett steigt – ach! In dieser Stadt geht das hopplahopp und schon stimmt das Leben wieder. Ein Teller Pasta und einen guten Vino rosso und dann … diese Aussicht, diese Stadt, ist sie nicht herrlich?

In der ersten Hälfte bezaubert einen der Film mit seiner Leichtigkeit und man muss oft lachen über die skurrilen Situationen, in den Meister Allen seine Figuren treibt.  Einzige Ausnahme ist die Geschichte um den Familienvater Leopoldo, der zu plötzlichem TV-Ruhm kommt wie die Jungfrau zum Kind. Zwar ist Rom ohne Roberto Benigni wohl wie Pizza ohne Tomaten, dennoch kann einem seine Exaltiertheit auch auf den Geist gehen, seine Maschen und Marotten sind über die Jahre stets die gleichen geblieben. Man wünscht ihn sich augenblicklich in einen ernsthaften Film. Woody Allen selbst hat auch einen erstaunlich schwachen schauspielerischen Moment, wer weiß, vielleicht ist er aus der Übung nach so vielen Jahren hinter statt vor der Kamera (zuletzt 2006 in in Scoop). Alec Baldwin gefällt mir sehr gut als charismatischer Schatten und verzweifelter Coach von Jack. Ob er wirklich physisch vorhanden ist oder nur in der Vorstellung des Jüngeren, das lässt das Drehbuch offen. Ist auch egal. Hier geht es darum, wie weit sich der Junge über den Abgrund zu lehnen wagt, in den er runterspringen will.
An manchen Stellen drückt da echtes Drama durch und es wird beinahe existenziell. Denn man ahnt, dass der Ältere einschlägige Erfahrungen hinter sich hat, die ihn heute noch schmerzen. Und dann ist da Penelope Cruz, ganz in rot. Also halb, bei diesem kurzen Kleid. Was für eine schöne Idee, sie als Nutte die gute Fee spielen zu lassen, die Szenen mit ihr sind allesamt unterhaltend, dank ihrer Spielfreude und Energie, mitnichten nur wegen ihrem Dékolleté, das man ja schon aus Volver oder Abrazos rotos etc. kennt – na gut, wir wollen das nicht gegeneinander ausspielen.

Wie so oft macht auch in diesem Film die Exposition und die ansteigende Handlung mehr Spaß als deren Fortsetzung. Die diversen Ausgangslagen und Verwicklungen sind wie eine Schachtel Smarties, die man in der Hand hält, man erfreut sich an den Farben, doch auf die Dauer schmecken alle gleich und man möchte sie loswerden oder sehnt sich nach sauren Gurken. Das Drehbuch schafft es nicht, die einmal ausgelegten Handlungsfäden so zu Ende zu verfolgen, dass man noch mit gleichem Interesse zusieht. Oder diplomatisch gesagt: Andere Filme von Allen sind über die gesamte Länge kompakter und straffer.

Dennoch bleibt einem der Film als eine schöne Reise in Erinnerung und ich plane fest, meine italienischen Beziehungen spielen zu lassen und demnächst nach Rom zu reisen. Denn dort scheint immer die Sonne, es gibt viele gutangezogene schöne Menschen, das einfache Volk schmettert Opernarien, allerdings nur unter der Dusche – und alles wird gut.

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