Regie: Sam Mendes
mit Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem,
Ralph Fiennes, Naomie Harris,
Berenice Marlohe, Ben Whishaw
Skyfall oder die Rettung der Selbstironie
›Ich sehe vor allem ein großes Schiff‹, sagt Bond, als er gefragt wird, was ihm beim Anblick von Turners ›Temeraire‹, Sinnbild britischen Nationalstolzes, durch den Kopf geht, in dem ein altes Kriegsschiff von einem Schlepper zum Abwracken abgeschleppt wird. Das alte Schiff ist natürlich er selbst, soviel Selbstreferenzialität muss schon sein, immerhin wird ein Mythos 50, der in schöner Regelmäßigkeit totgesagt wird.
Der neue Bond ist der alte Bond, aber im doppelten Sinne. Der ewige Mann-im-besten-Alter (das hieße also zwischen 30 und 60) ist vor allem nicht nur spannend, sondern bringt einen zum Lachen. Danke, Sam Mendes. Die MarcForsterisierung der Bondfigur hat ein Ende. Die Idee war eh müßig und reichlich humorlos, ein Genre weiterzuführen, indem man es seiner Essenz beraubt, dekonstruiert, indem man seine Leichen aus dem Keller holt und dem Zuschauer vor die Nase hält, dass auch Bond nur ein Mensch ist oder ein Brutalo und die explizite Gewalt uns eigentlich den Abend verderben sollte, würden wir nur genau hinsehen? Who cares?
All
das und mehr gibt uns Sam Mendes zurück. Zwar läßt er Craig ramponiert wie noch selten
ein Bond vor ihm aus der ersten Sequenz hervorgehen, richtig besorgniserregend
schlecht sieht er aus, der arme Daniel. Und überhaupt ist das Leitthema von Skyfall die These, dass 007 mitsamt
seiner Chefin und deren Weltbilder und Lösungsansätze ein gnadenloses Auslaufmodell
ist, überaltert, künstlich am Leben gehalten, selbstbeweihräuchernd, ein
einziger Anachronismus. Man sieht sich das auf der Leinwand an, denkt an all
die High-Tech-Actionfilme der letzten Jahre, muss sich widerwillig eingestehen,
dass das natürlich was hat und schluckt mal leer. In solchen Momenten möchte
man Bond umarmen und ihn auf einen Martini (oder doch lieber einen Earl Grey?) in die nächste Bar um die Ecke einladen, um die guten alten Zeiten nochmals hochleben zu
lassen, als Figuren wie er noch vom Schein lebten, dass es sie tatsächlich
geben könnte.
Doch bereits die wirklich großartig gefilmte Eingangssequenz birgt ein Bekenntnis zur Fortsetzung der Legende und zur Einordnung in die Standards des Genres und den Traditionen. Zwei Fragen dazu. Erstens: Was MUSS passieren, wenn eine Verfolgungsjagd durch eine südlich gelegene Stadt führt? Genau: Obststände stehen im Weg, irgendwas Rundes, Kleines, am besten Orangen, zur Not gehen auch Bastkörbe, aber sicher keine Elektronikstände oder Teppichwaren, das wär ja noch schöner, wenn die Südländer aufhören, andauernd Südfrüchte zu verkaufen. Zweitens: Was tut ein echter Held, wenn er merkt, dass seine Pistole leergeschossen ist? – Er wirft sie weg, verärgert, was sonst? Noch nie eine Pistole weggeworfen, weil sie leergeschossen war? Zugegeben: Es sind Kleinigkeiten, sie geschehen en passant, und sind viel weniger auffällig als der in Szene gesetzte Aston Martin. Aber es ist schon ziemlich clever und Sam Mendes hoch anzurechnen, wenn er für den Jubiläumsfilm der in Sachen Action ehemals trendsettenden Agentenreihe solcherlei vorgestrige Versatzstücke aus der Klamottenkiste hervorholt und damit der Bond-Welt ihre Selbstironie wieder zurückgibt, die im Wesentlichen ihren Charme ausmacht. It’s just a movie, stupid.
Der
erste Preis in Sachen Selbstironie gewinnt diesmal Javier Bardem: Was für eine
witzige Farce von einem Bösewicht – für mich der beste in solch einer Rolle
seit dem genialen Alan
Rickman als Sheriff von Nottingham in Kevin Reynolds’ augenzwinkernder Legendenvariante Robin Hood: Prince of Thieves (1991). Sein
gespieltes Mitgefühl mit dem ausgelaugten Superhelden, seine Eitelkeit, sein
charmanter Spott über den Kontrollverlust des vermeintlich mächtigen MI 6, und
auf der anderen Seite seine Frustration angesichts des Umstands, dass man gegen
jede Vernunft einen totgesagten Helden nicht umbringen kann – da hilft ihm nicht
mal sein Yoga. Das ist erste Sahne, das ist, was einem bleibt, das will man ein
zweites Mal sehen. Und bei all dem hat er als Ex-Agent noch eine Geschichte,
die einen durchaus berührt, sofern man sich drauf einlassen will. Auch ihm
spendiert man deshalb gerne einen Martini – oder vielleicht doch lieber etwas
Stärkeres.
Und
die Frauen? Die sind so richtig schön schwach. Hach. Die darben und leiden,
haben die Welt gegen sich– oder sind einfach etwas ungeschickt wie die
hoffentlich zukünftige Miss Moneypenny. Und sie sind schön, ohne übermenschlich
zu wirken. Sie können weder Kung Fu noch Motorrad fahren noch irgendeine kryptische
Programmiersprache, sind ziemlich unambivalent, aber dafür schön anzusehen,
ohne blond zu sein. Und natürlich brauchen Sie deshalb Jimmy Bond zum Liebhaben
und retten. Er hält ihnen die Treue und zeigt ihnen, what a man’s gotta do.
Was
bleibt außerdem? Quallen auf Hochhäusern. Quallen auf Hochhäusern? Die opulente
Fotografie ist der Knaller. Ob Schottland oder Macau, Shanghai oder London, ob
Außen- oder Innenräume, Skyfall
bietet eine ganze Menge ästhetischer Szenarien mit extrem schönen Farbspielen,
und die Einstellungen sind zumeist lang genug, dass man sich diese filmischen
Räume auch wirklich ansehen und in sie eintauchen kann.
Der
Bösewicht macht Yoga (›All dieses Gerenne und Gestrample … entspannen Sie sich
doch‹), Bond versagt in allen Routine-Leistungstests, und Q ist endlich das,
wie man sich ihn in der heutigen Zeit vorstellt: ein junger schnöseliger Computernerd:
›Ich kann in wenigen Minuten mehr Schaden anrichten, als Sie in einem ganzen
Jahr, Mister Bond.‹ Die restlichen
Zutaten sind wie gehabt. Fazit: Diesen Bond treffe ich gerne wieder.
PS danke für den Hinweis auf das Turner-Gemälde, Cristoforo!
PS danke für den Hinweis auf das Turner-Gemälde, Cristoforo!
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